lager/regal (storage/shelf)
designer items found on site were shifted by 90° and displayed as such
2007
chipboard, furniture items
300 x 630 x 50 cm
Ein volles Lager und ein leerer Raum. Hervé Humberts Rauminstallation „lager/regal“ erfüllt die Erwartungen an eine Rauminstallation nicht.
Anstatt einen Raum mit Objekten zu füllen, entleert er ihn und räumt in frei. Alle Möbel, die sonst im Raum der Ackerstrasse stehen werden von ihm in ein Hochregal gebracht, hochkant gedreht oder auf die Seite gestellt und so in das von ihm hergestellte Objekt im Fenster eingefügt. So verlieren Bett, Regal oder Schreibtisch ihre Funktion im Raum und werden zu dekorativen Elementen im Schaufenster. Zusammen mit den Verstrebungen des Regals erhalten diese Möbel etwas Abstraktes. Ihre Form, die sonst der Funktion untergeordnet ist, wird sichtbar. Gleichzeitig verschwindet ihr Wert als „Einzelstück“, als Designobjekt, denn sie werden im „Lager“ zusammengebracht und so Teil einer Gruppe von Dingen, die durch das ordnende Regal in eine neue, spannende Beziehung eingehen. Humbert hinterfragt damit die Grenze zwischen Skulptur und Design, zwischen Alltagsgegenstand und Designobjekt. Die „Lagerung“ im Schaufenster ist schließlich auch ein Widerspruch in sich: Gelagert werden meistens nur Dinge, die man eben nicht (mehr) braucht, die man der Öffentlichkeit gerade nicht zeigen möchte oder kann. Die Lagerung im Schaufenster auszustellen heißt demnach, die Prozesse sichtbar zu machen, die sonst unsichtbar bleiben.
In diesem Fall wählt Humbert jedoch nicht Objekte, die sonst verschlossen bleiben, sondern er bedient sich der Möbel, die in diesem Raum zum Verkauf stehen. Das Einordnen dieser Möbel in das Regal direkt hinter das Schaufenster bedeutet, dass er ihren Status als Verkaufsobjekte unterstreicht. Gleichzeitig betont er ihre Form, macht sie zu zweckfreien Objekten, indem er sie in seine Form einfügt. Der Galerie bzw. Verkaufsraum wird durch diese Aktion zwar leer, Humbert fügt jedoch noch etwas hinzu. Gleich der Positionierung des Regals am Schaufenster, das nach Außen, d. h. zur Strasse hin orientiert ist, weist die Lampe im Büro – ein Miniaturnachbau der Tegeler Flughafen-Laterne – in den Öffentlichen Raum. Diese Lampe spendet ihr Licht nicht mehr der Strasse, sondern einem Schreibtisch, der dem Design, der Verwaltung und dem Verkauf dient. Auch hier stehen so der Zweck eines Objekts, seine Verwendung und sein Status als „Designobjekt“ auf dem Spiel. Die Lampe aus ihrem angestammten Raum, der Strasse, zu isolieren heißt, sie auf ihre Form zu reduzieren. Die Lampe leuchtet jedoch weiterhin und markiert dadurch dauerhaft die Grenze zwischen Zweck und Form, die sich durch Humberts Design-Interventionen auflöst.
Dr. Änne Söll